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Führungskompetenz

Governance Meeting: Reden wir zu viel darüber, „wie“ wir arbeiten?

Redaktion
Veröffentlicht: 24 Januar 2020
Upgedatet: 17 Februar 2023
Governance Meeting: Reden wir zu viel darüber

Seit Kurzem habe ich eine amerikanische Chefin. Sie findet, wir Deutschen reden zu viel darüber, wie wir arbeiten, anstatt einfach zu arbeiten.

Ich widerspreche, da diese Reflektion die Grundlage strukturierter und effizienter Arbeit des Teams darstellt. Dazu haben wir das Governance Meeting ins Leben gerufen. Ich kenne es aus der Zeit des Self Management, beziehungsweise des Holacracy Experiments. In diesem Organisationsmodell wird Management in seine Teilbereiche aufgesplittet und auf verschiedene Köpfe verteilt. Einige Prozesse davon habe ich in unserem hierarchischen Modell auch eingeführt.

***Ergänzung: nach Feedback auf diesen Artikel möchte ich betonen, dass wir uns von Holocracy haben inspirieren lassen, aber das hier beschriebene „Governance Meeting“ nicht mehr der originalen Holocracy Struktur entspricht.***

Ein Governance Meeting – was ist das?

Im Governance Meeting sprechen wir darüber, wie wir arbeiten. Das Ergebnis davon ist eine Vereinbarung, mit der das gesamte Team leben kann. Unter dem Titel How do we want to work together? passen wir in regelmäßigen Abständen, je nach Bedarf, die Vereinbarungen an veränderte Gegebenheiten an.

Was steht in der Vereinbarung?

Die Themen umfassen so ziemlich alles von den Arbeitszeiten, über Kommunikation und welche Tools wir verwenden bis hin zur Frage, was wir uns zum Geburtstag schenken.

Gerne teilen wir ein paar Auszüge aus unserer Vereinbarung:

kommunikation 3

entscheidung neu

So kommen wir zu unseren Vereinbarungen

  1. Etwa zwei Wochen vor dem Governance Meeting schicke ich als Meeting Facilitator einen Fragebogen ans Team. Abgefragt wird: „Welche Herausforderungen in der Teamarbeit hast du, die wir klären sollten?“, Welche Ideen hast du, um dies zu lösen?“, „Welche Priorität hat das Thema für dich von 1 bis 3?“
  2. Alle Teammitglieder können die Antworten der anderen sehen, sich dadurch inspirieren lassen, oder vorab schon Lösungsansätze diskutieren.
  3. Während des Governance Meetings gehen wir die Themen entsprechend ihrer Priorität durch. Die Person, die die Herausforderung vorgebracht hat, wird gebeten, einen Vorschlag zur Lösung zu machen.
  4. Nun folgen wir dem sogenannten Integrated Decision Making Process, auch ein Element von Holacracy. Es ist wichtig zu betonen, dass es hier bewusst nicht um einen Konsens innerhalb des Teams geht (siehe 4.4.). Der Ablauf ist wie folgt:
    1. Nach der Vorstellung der Herausforderung und des Lösungsvorschlags dürfen alle Teammitglieder zunächst Fragen stellen, um die Herausforderung oder den Vorschlag besser zu verstehen.
    2. Nachdem diese beantwortet sind, gibt es eine Reaktionsrunde. Dabei achte ich als Moderatorin genau auf die Reihenfolge, sodass jede Person genau einmal zu Wort kommt.
    3. Der wichtigste Punkt kommt zum Schluss: Die Person, die den Vorschlag gemacht hat, darf ihren Vorschlag basierend auf dem Feedback anpassen. Im Anschluss frage ich in die Runde, ob jemand einen Grund sieht, warum die Annahme dieses Vorschlags Schaden anrichten oder das Team zurückwerfen könnte.
    4. Hinweis: Hier geht es nicht um Zustimmung von allen, den Vorschlag zu befürworten (Konsensentscheidung), sondern darum, dass keine Person den Vorschlag ablehnt.

Sobald ein Vorschlag präsentiert ist, der diese Kriterien erfüllt, ist er angenommen und wird in unsere Vereinbarung eingefügt.

Aus diesen Fehlern haben wir gelernt:

  • Die Moderatoren müssen aktiv darauf achten, dass alle sich vorbereiten und den Fragebogen ausfüllen. Hilfreich ist es, das Ausfüllen vor der Urlaubszeit zu machen, denn da ist das Stresslevel erhöht und mögliche Konflikte sind häufig angespannter als nach dem Urlaub.
  • Vor dem Termin sortiere ich die Themen. Manche sind für die große Runde unpassend und ich bestimme sie für andere Gremien zur Besprechung. Im Governance Meeting soll es nur um Themen gehen, die alle im Team betreffen.
  • Außerdem ist es sehr hilfreich, die Vorschläge vorab mit den Personen zu klären, zu brainstormen und alles in verständlichen Worten schriftlich festzuhalten.
  • Nicht jedes Problem benötigt eine allgemeingültige Regel. Sonst erstickt das Team im Regelchaos. Es ist wichtig, dies im Kopf zu behalten, und immer wieder Regeln zu hinterfragen oder zu revidieren.
  • Während des Governance Meetings neigen Teammitglieder häufig dazu, die Kategorien Klärende Fragen und Meinung zu mischen. Bei kleinen Themen kann dies im Sinne der Effizienz so gehandhabt werden. Bei komplexen Themen greife ich als Moderatorin sehr klar durch, damit sich alle an die Trennung halten.
  • Falls ein Vorschlag eines Teammitglieds zu aufwendig erscheint und deswegen Vetos bekommt, gibt es eine hilfreiche Lösung: Der Vorschlag kann für eine bestimmte Zeit als Testphase adaptiert werden. Mithilfe der dann gesammelten Erfahrung kann die Entscheidung nochmals revidiert oder bestätigt werden.
  • In Einzelfällen gebe ich als Teamleiterin den Rahmen der Entscheidung vor oder gebe ein Veto. Bisher gab es aber noch nie den Fall, dass das Team Abmachungen vereinbart hat, die ich nicht unterstütze. Ich fühle mich auch nicht meiner Autorität beraubt. Im Gegenteil: Ich freue mich, wie das Team ohne mich laufen kann. Es ist aber natürlich eine spezielle Doppelrolle, als Teil des Teams gleichzeitig zu moderieren. Wem dies zu delikat ist, der kann sich eine externe Moderation, zum Beispiel aus einer anderen Abteilung, hinzuziehen.

Zusammengefasst: Warum sollten wir uns über uns selbst austauschen?

Ich möchte, dass mein Team proaktiv Themen löst – nicht nur punktuell im Governance Meeting, sondern auch bei anderen Themen. Ich möchte, dass Lösungen gefunden werden, anstatt nur das Problem zu benennen. Das Governance Meeting mit seinem sehr formellen Prozess ist eine gute Schule dafür. Schließlich führt der formale Prozess dazu, dass jedes Teammitglied zu Wort kommt. Dadurch sind alle angehalten, sich eine Meinung zu bilden. Gleichzeitig braucht niemand Sorge haben, dass nur die Lauten gehört werden, denn von Junior bis Senior sind alle gleichberechtigt. Am meisten gefällt mir jedoch, dass das Team hinter den Entscheidungen steht, da es sich die Regeln selbst gegeben hat.

Mehr von Susanne Wechsler: 

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